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Abbrecherquote – Sinn oder Unsinn?

Bei den MOOCs gibt es immer zwei Zahlen, nach denen ich immer als erstes gefragt werde. Wie viele Teilnehmer habt ihr und machen MOOCs bei 97% Abbrecherquote überhaupt Sinn? Inzwischen denke ich jedoch, dass die Diskussion über Abbrecherquoten im wesentlichen falsch sind. Ein paar Gedanken dazu.

tl;dr

Zum einen, und das ist wohl die wichtigste Information, sind diese 97% alt und basieren auf der Duke Studie . Viele andere MOOCs haben jedoch diese Zahlen bestätigt, auch unser erster MarketingMOOC.

Duke Studie 2012/2013
Duke University Report  2012/2013

Inzwischen sind wir jedoch viel weiter. Die Plattformen haben enorme Fortschritte gemacht, die didaktischen Modelle auch und natürlich wurde auch viel geforscht und sich ausgetauscht. Wir haben inzwischen Abbrecherquoten von 80-85 Prozent, das HPI angeblich 70% und Marburg hat wohl 60% (Quellen habe ich jetzt leider nicht). Parallel wird natürlich auch an den Statistiken gedreht. Da bei allen MOOCs ca. 30% der Teilnehmer sich anmelden, aber nie den Kurs betreten, will man diese gar nicht als Abbrecher mitzählen. Allerdings will man diese aber gerne aufführen, damit man alle beeindrucken kann, denn ein Kurs mit 10.000 Teilnehmern ist natürlich viel besser als 7.000 aktive Teilnehmer.

Das sind jedoch Feinheiten, denn inzwischen denke ich, dass diese 70-90 Prozent Abbrecher ein ganz normales gesellschaftliches Ergebnis sind. Ich habe das auch im Gespräch mit Martin Lindner ausgeführt.

Ich vermute bei den meisten Kursen, die erfolgreich sind, ist ein äußerer Druck vorhanden, der zum erfolgreichen Abschluss zwingt. Typische Beispiele dafür sind natürlich die Noten in der Schule bzw. die Versetzung, das Abitur, der Bachelor aber auch der Führerschein oder der Tanzkurs für den Abschlussball. Es gibt aber auch zig Beispiele, wo 95% Abbrecher gar nicht bemerkt werden. Wer meldet sich nicht alles in Fitnessstudios an, um dann nach 3-6 Monaten zu erkennen, dass es zu anstrengend ist, wer hat nicht schon einmal einen Sprachkurs bei Aldi gekauft und die CDs nicht einmal in den CD Player geschoben? Oder wer hat schon ein Fachbuch von vorne bis hinten gelesen? Gibt es dazu Zahlen? Martin Lindner hat im Interview dazu angemerkt, dass Amazon dank Kindle und Überwachung anonyme statistische Erhebungen inzwischen weiss, dass bei vielen Büchern, nur die ersten Seiten gelesen werden. Natürlich werden Bücher und deren didaktische Modelle nicht in Frage gestellt, denn Bücher sind immer gut und haben sich seit Jahrhunderten bewährt. (Falls jemand diese Daten hat, bitte schreibt es mir.)

Hohe Abbrecherquoten sind normal, kleine sind die Ausnahmen

Falls meine Annahme stimmt, sind die Abbrecherquoten der MOOCs keine Nachricht, sondern Alltag. Der Mensch schaute sich schon immer gerne Sachen an, hat aber dann tausend gute Gründe, um den guten Vorsatz nicht auszuführen. Das fällt jedoch jetzt im Bildungsbereich extrem auf, da wir aus den bekannten Zwang-Modellen Schulen und Hochschulen natürlich andere Zahlen gewohnt waren. Ich persönlich kann diese Zahlen auch in meinen kostenpflichtigen Weiterbildungskursen bestätigen, wo selten mehr als 40% erfolgreich abschliessen. Ausnahmen sind auch hier wieder die Zwangskurse, wo die Firma die Weiterbildung bezahlt oder sie extrem teuer ist.

Darf man bei MOOCs überhaupt Abbrecher messen?

Zu guter letzt, will ich aber auch noch einmal den Sinn der Abbrecherquote in Frage stellen. In den cMOOC Diskussionen werden immer wieder die Teilzeitlernen bzw. Fragmente des Lernens als Ergebnis gewertet. Kaum einer will einen ganze Kurs machen, sondern er will nur ein Element nutzen. Ähnlich wie beim Fachbuch, wo man meist nur ein paar Kapitel benötigt. Trotzdem gehen wir davon aus, dass jeder den gesamten Kurs belegen will, der meist auch noch viel zu lang ist. MOOCs entsprechen hier eher Webseiten, die man nie komplett liest (wer würde behaupten eine Webseite wäre falsch, nur weil jeder Besucher nur drei Seiten anschaut?) oder Tageszeitungen, die auch kein Mensch komplett liest, sondern jeder Leser nimmt die Artikel, die ihn interessieren, z.B. Lokalteil, Sport oder Wirtschaft. Tageszeitungen sterben jedoch, MOOCs können und sollten hier flexibel reagieren, da sie digital sind. Die Frage ist dabei, welchen Teil interessiert dabei den Teilnehmer?

Was muss also passieren?

Als erstes sollte natürlich die Zahl der Abbrecher nicht mehr diskutiert werden, da dies unsinnig ist. Was jedoch wichtiger wäre, sind neue Formate. Zum einen sollte man über verschiedene Lernwege diskutieren. Ich kenne hier noch keine Plattform, die das ordentlich unterstützt, aber ich glaube auch, dass dies nicht die Lösung ist. Ich gehe davon aus, dass der Lerner sich selber seine Inhalte aussuchen wird, ähnlich wie bei YouTube, Amazon oder Wikipedia. Dabei werden noch Empfehlungssysteme (wer dies gelesen hat, hat auch das gelesen) implementiert, die quasi die Lernwege empfehlen.

Parallel sollten die MOOCs extrem verkürzt werden. Ich würde als erstes von 10-14 Tagen ausgehen, darunter wird es schwer sein, von MOOCs zu sprechen. Unter 10 Tagen, sind wir schon fast beim Learning Object, und dann hätten wir, ähnlich einer Playlist, eine Voll-Automatisation der Lehre.

Zu guter letzt müssen MOOCs permanent da sein. Das heisst es gibt keinen gemeinsamen Start und Ende, sondern jeder fängt an, wann er will und macht auch seine Prüfung, wann er will (on demand). Damit wären Kurse dann aber Voll-Elektronisch, auch die Prüfungen und das ist juristisch schwer. Marburg mit seinen Linguistik-Kursen wird dies demnächst ausprobieren und dies zeigt auch die neue Richtung. Ob MOOCs damit jedoch in der Hochschule funktionieren, darf bezweifelt bzw. diskutiert werden. Ich denke auch hier, wir sind immer noch am Anfang. Die MOOCs ändern sich rasant und zwar viel schneller und extremer als die Blended Learning Institutionen. Es bleibt also spannend bzw. es wird immer spannender.

 

 

2 Kommentare

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