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Medienkompetenztag als offline Version

Das war also mein erster und insgesamt der siebte Medienkompetenztag Schleswig-Holsteins in Kiel an der CAU und als hätte ich es geahnt, es kam schlimmer als gedacht. Ich unterrichte Medienkompetenz seit ca. 9 Jahren, da ich jedoch kaum noch Zeit habe, ist es leider “nur” noch ein Steckenpferd. Umso mehr hab ich mich für die Veranstaltung interessiert. Dank einer spontanen Einladung durfte ich in einer dreigeteilten Session ein wenig über Lübeck erzählen und was wir in den letzten Jahren geleistet haben.

Parallel hab ich die Session per Periscope gestreamt.

The Medium is the Message

Meiner Meinung nach sollte das heute bei digitalen Themen Standard sein, denn man sollte nicht nur ÜBER das Medium reden, sondern dabei auch immer das Medium praktisch nutzen und als Beispiel vorangehen (frei nach Marshall McLuhann – The Medium is the Message). Daher versuchen wir in Lübeck immer, unsere Vorträge aufzuzeichnen oder zu streamen und die Slides unter einer offenen Lizenz ins Netz zu stellen.

Das könnte aufwendig sein, wenn man es noch nie gemacht hat. Es ist aber nicht mehr aufwendig, wenn man das beim Konzept des Vortrags gleich berücksichtigt (gilt vor allem für die Folien) und wenn man ein gutes Smartphone mit WLAN hat und da kommen wir auch schon zur Kritik.

Medienkompetenztag ohne Medien

Veranstaltet wird der Medienkompetenztag von der CAU, dem Offenen Kanal Schleswig-Holsteins und dem IQSH. Zielgruppe sollen vor allem Lehrer sein.

Medienkompetenztag 2016 in Kiel
Medienkompetenztag 2016 in Kiel

Eine Homepage gibt es nur im Web 1.0 Format, denn es gibt nur eine Unterseite mit einer Anmeldung, was eigentlich nicht schlimm wäre. Jedoch findet man auf der Seite außer einem Tagesablauf und zwei PDFs nichts. Einen Trailer oder Rückblicke auf die vergangenen Veranstaltungen gibt es nicht. Begleitende Etherpads für Nachhaltigkeit sucht man ebenfalls vergebens und von einer medialen Begleitung in Form eines Filmteams (ja ich weiss, das kostet richtig Geld, kann man aber auch Low-Budget mit Smartphone und Periscope/Snapchat/YouTube machen) konnte man nur träumen. Es gibt auch keine Anfahrtskizze per GoogleMaps (für die norddeutschen Datenschützer hätte man auch OSM nutzen können), keine Facebook-Gruppe (ach ja wir sind in Schleswig-Holstein, da ist Facebook noch gefährlicher als Fliegenpilze) und was ich besonders schlimm empfand, es gibt nicht einmal einen Hashtag zum Medienkompetenztag. Das war sicherlich auch nicht notwendig (Achtung Ironie), denn es haben auch nur ca. 5 Leute getwittert und die haben dann auch drei Hashtags genutzt: #mktsh16 #medienkompetenztag #MeKoSH. Das ist jedoch eine Henne-Ei-Problem, denn wer weiss, was geschehen würde, wenn man Hashtags definieren und per Twitterwall prominent fördern würde? Natürlich hab ich nachgefragt (ihr kennt meine diplomatische Art) und als Antwort: “Die Veranstaltung ist ausgebucht, wir brauchen keine Werbung.” erhalten. So viel zur Medienkompetenz, aber immerhin wurde das als Tipp für zukünftige Veranstaltungen notiert.

Wer braucht heute schon WLAN?

Das Highlight war jedoch das fehlende WLAN. Ich weiss, wir sind in Deutschland und da gibt es die Störerhaftung bzw. viele glauben, dass es sie nicht mehr gibt (dazu gehöre ich). Natürlich hat das WLAN nicht wirklich gefehlt, denn ich hatte Eduroam. Leider haben die Lehrer das nicht und daher hatten gefühlt 90% kein WLAN und mussten sich per Smartphone (Tethering) helfen. Hat aber kaum jemand gemacht und wozu auch? Die meisten haben per Papier mitgeschrieben und Fotos per Smartphone kamen nur sporadisch vor. Das Medium wurde auch selten aktiv von den Vortragenden eingebunden und vom Gesamtkonzept nicht unterstützt. In meiner Session haben die Teilnehmer erst am Ende sich getraut, Smartphones herauszunehmen und die Slides zu fotografieren obwohl ich explizit dazu aufgefordert hatte (siehe Slide 2). Auf Nachfrage wurde mir gesagt, dass die CAU kein offenes WLAN anbieten könne und es auch kaum Beschwerden gäbe. Man wäre schon froh überhaupt Räumlichkeiten zu bekommen.

Medienkompetenz ist primär Warnung vor dem Internet

Die Förderung von Mediennutzung kann auch nicht das vorrangige Ziel der Veranstalter gewesen sein, wenn man sich einmal die Headlines einiger Vorträge (vor allem der Keynotes) anschaut. Da ging es um die “Herausforderung für die Familie”, “Schülerdaten als Ware” und zum Schluss “Mediensucht”. Einzig OER von Jöran Muuß-Merholz war ein positives Signal. Bei den kleinen Sessions war es nicht ganz so schlimm, aber auch hier ging es um Jugendschutz, Hatespeech, Selbstdatenschutz und zweimal(!) Alterskennzeichnung. Vorträge die die Möglichkeiten des Netzes zeigen, waren in der Minderheit aber es gab sie. Vor allem wurden Gamification und Medienproduktion gezeigt.

Fazit

Es ist alles viel trauriger, als ich es mir vorgestellt hatte und ich weiss nicht, woran das liegt. Alle sind unglaublich motiviert und wollen das Thema natürlich voranbringen, daher tut Kritik umso mehr weh. Anscheinend ist das Reden über Medienkompetenz jedoch viel einfacher, als selbst Medienkompetenz zu haben bzw. das Medium sinnvoll zu nutzen und zu fördern. Dabei wären Änderungen sehr einfach zu machen, z.B. WLAN würde mit einer zweiten SSID oder mit Freifunk Routern schnell funktionieren. Einen Hashtag zu definieren und Twitterwall mit Beamer aufzubauen dauert keine 30 Minuten. Vorträge die Mediennutzung fördern, statt sie zu verdammen liegt alleine beim Veranstalter und ne Facebookgruppe kann man in fünf Minuten einrichten. Man muss das aber wollen. Im Moment ist der Medienkompetenztag jedoch eher ein Warnschild und zeigt symbolisch wo es in der gesamten digitalisierten Bildung in Deutschland harkt. Jeder spricht darüber aber (fast) keiner lebt es 🙁

2 Kommentare

  1. Pingback:[Online By Nature] Medienkompetenztag als offline Version

  2. Jacqueline Bier

    Ich kann diese Enttäuschung wirklich gut nachvollziehen, auch wenn ich nicht dabei war. Leider ist die Haltung zu digitalen Medien meist sehr extrem, also dafür oder dagegen bzw. Gefahrengeprägt. Da braucht es Menschen wie dich und mich, die sich wirklich aktiv rantrauen und nicht nur darüber reden. Mir geht es dann oft so, dass ich viel aushalten muss und auf Unverständnis treffe. Könnte natürlich auch an meinem Schwerpunkt im Elementarbereich liegen 😉
    Schade, dass der Medienkompetenztag so wenig “Medienkompetent” war.

    Viele Grüße,
    Jacqueline

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