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Das Kollaborationsdilemma

Die Wunderwelt des Web 2.0 macht den Verantwortlichen Angst, denn wer kennt sie nicht, die unendlichen Erfolgsstorys  der ungebremsten Massen. Wer über das Internet etwas liest und der denkt über Chaos, Anarchie und “Gesetzeslosigkeit” nach. Das ungeregelte Web, wo jeder machen kann, was er will, ohne Gefahr entdeckt zu werden. Das das ganze Unsinn, brauch ich hier nicht weiter auszuschmücken, denn inzwischen ist das Netz sicherlich eines der best überwachten Orte der Welt und Regeln gibt es mehr, als man jemals ahnen konnte.

Doch der Traum des Web 2.0 war, dass die Massen helfen große Werke zu schaffen und die Erfolgsgeschichte dazu, war die Wikipedia. Doch nach 13 Jahren Online Lexikon, muss man sagen, dass die Wikipedia die Ausnahme ist und nicht die Regel. Es gibt eigentlich nur ein ähnlich erfolgreiches Beispiel mit Open Street Map und alles andere dämmert vor sich hin. Nicht einmal ein großes freies Foto- oder Bilder-Portal hat es geschafft, wahrscheinlich sind die Hardware Kosten zu hoch. Die Wahrheit ist, dass kaum jemand freiwillig an offenen Inhalten mitarbeitet und damit meine ich, noch nicht einmal freie Inhalte. Das gleiche gilt für jedes Intranet in Schulen, Hochschulen und Firmen. Trotzdem hat jede Institution Angst vor diesen Massen, die wahrscheinlich alle offenen digitalen Inhalte sofort ändern würden und natürlich immer zum Negativen. Daher kommt es bei jeder mir bekannten Diskussion über offene Portale, die gleichen Argumente: “Wir dürfen nicht alles öffnen und nicht jedem Schreibrechte geben, wer kann da die Qualität sichern. Wir können doch nicht den ganzen tag Fehler beheben.” oder das ähnliche Argument auf der Administratorseite “Wenn wir das jetzt öffnen, brechen alle Server zusammen. Wir können nicht garantieren, dass die Server den Ansturm aushalten.”

Die Wahrheit sieht jedoch bitter aus. Auch bei freien offenen Inhalten, sind selten irgendwelche Massen vorhanden, die auf die Inhalte stürmen. Der Regelfall ist eher so, dass man unglaubliche Marketingmaßnahmen durchführen muss, damit überhaupt jemand diese Inhalte findet. Das dann irgendjemand diese Inhalte verbessert oder wenigstens kommentiert ist die absolute Ausnahme. Man kann sogar das ganze System völlig offen ins Netz stellen und trotzdem verirren sich nur wenige auf die Seite, Hauptsache der Spam-Schutz ist wirksam, sonst hat man richtige Probleme.

Wenn wir offene Wikis in das Intranet stellen, ist die erste Anforderung auf meinem Tisch, dass man Grupen bilden muss, um Schreib- und Leserechte zu verteilen. Nur Abteilungsleiter dürfen Inhalte absegnen und wenn ein Mitarbeiter, etwas schreibt, muss er entweder Schreibrechte beantragen oder seine Version ist nicht öffentlich. Das so aber motivierte Mitarbeiter ausgebremst werden, sieht kaum einer. Niemand will warten, wenn er jetzt eine Idee und Zeit hat. Er will gleich/sofort loslegen und den gefunden Fehler korrigieren, aber was machen wir? Wir bauen eine Schranke. So wird Kollaboration oder die weisheit der Massen gleich am Anfang ausgebremst. Kein Wunder, dass so viele Wiki Projekte scheitern. Die meisten Wiki starten reglementiert und wollen sich langsam öffnen, dabei muss es umgekehrt sein. Sie müssen offen starten um dann, falls wirklich Unfug entsteht, langsam geschlossen zu werden.

Ich nenne dies Kollaborationsdilemma, denn jeder will diese offenen Plattformen, doch niemand will anderen Schreibrechte für seine Inhalte geben. Das erklärt auch den Erfolg des PDF-Formats, denn dieser ist wie Papier starr und nicht änderbar. Doch heutzutage müssen wir ganz anders denken, denn Menschen die auf Schranken stossen, kommen selten ein zweites mal.

Inzwischen öffne ich fast alle Systeme bei uns, egal ob intern oder extern. Alle Kollegen sind sich bewusst, dass sie keine Inhalte löschen sollen (sieht man auch an der Authentifizierung, aber haben wir noch nie gebraucht). Geheime Inhalte sind die Ausnahme und nicht die Regel. Jeder hat überall Lese- und Schreibrechte, das schafft Transparenz und vor allem Schnelligkeit, denn wir können jeden Inhalt per URL verschicken, und wissen, dass der andere es lesen kann. Das hört sich jetzt sehr einfach an, aber genau das ist der Vorteil. Inhalte ohne Anmeldung lesbar machen, spart bei jedem Mitarbeiter kostbare Zeit, auch wenn es nur ein paar Sekunden oder Minuten sind. Jede Authentifizierung kostet Zeit und ist oft überflüssig (ja es gibt tausend Ausnahmen, aber es kommt auf die Einstellung an). Jeder sollte mal darüber nachdenken, ob Formulare im Intranet stehen müssen? Leere Formulare sind leer, das sind nur Vorlagen. Trotzdem stehen diese zu 98% in Intranets. Die Antwort darauf ist fast immer: “Das ist doch für die Öffentlichkeit nicht interessant.” Doch darum geht es nicht, es geht um die Anmeldung und um Effizienz. Natürlich kann ich auch jeden Intranetzugang in jedem Browser mit Passwort speichern zugänglich machen, aber ob das jetzt der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden.

Ich bin gespannt, wann ich nicht mehr beauftragt werde, diese Schranken einzurichten. Inzwischen bessert es sich etwas, aber trotzdem ist es noch ein langer Weg.

 

 

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