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E-Books bedeuten weit mehr als digital lesen

Innovation kann man nicht per Umfrage ermitteln. Hätte man 2007 gefragt, ob man ein Handy mit Tasten oder eines mit Glas besser finden würde, hätte mit Sicherheit die Tastatur gewonnen. Menschen stimmen in der Mehrheit immer gegen den Wandel. Das Potential der Innovation erschliesst sich erst aus dem Lauf der Geschichte.
Relevanz von Services und Lernmedien im Fernstudium (Quelle IUBH - Trendstudie)
Relevanz von Services und Lernmedien im Fernstudium (Quelle IUBH – Trendstudie)

Wenn man jetzt also Studierende oder auch Schüler fragt, ob sie lieber mit Papier oder mit E-Books lernen wollen, antwortet natürlich die Mehrheit, dass sie beim Bekannten Medium bleiben wollen. Das Neue ist unbekannt, fremd und man empfindet eine natürliche Unsicherheit. Eine Umfrage ist daher sehr selten dafür geeignet um einen Wechsel einzuleiten, das gleiche gilt übrigens auch für unsere geliebte Demokratie, die dadurch immer einen Reformstau hat, was aber ein anderes Thema ist.

Hype Cycle oder Innovationskurve
Hype Cycle oder Innovationskurve

Wenn etwas neues eingeführt wird, kommen die Early Adaptor, die auf alles aufspringen, danach wird es jedoch erst interessant, wenn die ersten Enttäuschungen kommen,  und der Hype vorbei ist. Meiner Meinung nach befinden wir uns bei der Einführung des E-Books jedoch schon in der Endphase, dem “Plateau of Productivity”, wobei ich den Begriff des E-Books hier einmal viel weiter fassen will, als es die meisten machen. Im Grunde gibt es sogar keine richtige Definition für E-Books aber auch das ist ein anderes Thema. Was ich meine, ist die Digitalisierung des Textes und das hat weit mehr Auswirkungen, als nur Texte auf einem elektronischem Gerät zu konsumieren.

Es war mal wieder eine dieser Twitter-Diskussionen, wo man mehr denkt, als man schreiben kann. Das ist ja das schöne an Twitter. Der entscheidende Tweet war dabei für mich, der auch wieder von mir war 🙂

Man kann die Vorteile von E-Books schnell technisch darstellen. Sie sind schneller aktualisierbar, skalierbar, portabel. Es gibt keine Lagerkosten, die Distribution ist schnell und natürlich kann man sie interaktiv, multimedial und durchsuchbar machen. Es geht jedoch bei der Einführung von E-Books um mehr als nur um digitale Dokumente. Es geht um eine Lebenseinstellung oder besser ausgedrückt um eine Arbeitseinstellung. In der zukünftigen Arbeitswelt sind neue Arbeitsweisen gefordert. Heutzutage ist Team-Arbeit gefordert. Man arbeitet flexibel in verschiedenen Gruppen und an verschiedenen Orten. Die Hochschulen reagieren darauf und stellen die Bachelor-Studiengänge auf Kompetenzorientierung um, wo genau diese Fertigkeiten vermittelt werden sollen. Aber wie werden diese Fertigkeiten praktisch vermittelt? Gibt es ein Fach im Studium Gruppenarbeit und Flexibilität? Natürlich nicht, denn das sind Querschnittskompetenzen, die fächerübergreifend überall vermittelt als auch erwartet werden.

Wie arbeitet man aber heutzutage?

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich da immer nur Anekdoten erzählen. Vor kurzem haben wir eine Pressemitteilung mit drei Partnern verfasst. Gearbeitet wurde dabei in der digitalen Steinzeit, sprich man hat zwar digital geschrieben aber der Workflow war wie bei Papier. Der erste verfasst eine Rohversion, verschickt diese per E-Mail (immerhin als Word und nicht als PDF) und die anderen haben dann ihre Änderungen eingepflegt. Dadurch sind dann natürlich mehrere Versionen entstanden und am Ende musste einer leiden und diese Versionen zusammensetzen. Hätte man Dropbox genutzt, wäre das Leid kleiner gewesen aber gut wäre es trotzdem nicht geworden. Ich hatte gleich GDrive vorgeschlagen, aber da kaum einer einen bösen Google-Account hat bzw. niemals für die Arbeit nutzen würde, war das natürlich unmöglich. Am Ende war dann auch noch die Version, die von sechs Leuten Korrektur gelesen wurde, immer noch mit Fehlern überhäuft. Trotz aller Fehler bei diesem Workflow und trotz der viel besseren Technik (Cloud), wird das nicht genutzt. Warum?

Die Lösung ist ganz einfach, denn die Systeme werden praktisch nicht gelebt. Wie soll das auch geschehen, denn alle haben in ihrem Studium bzw. in ihrem ganzen Leben nur analoge Medien kennengelernt bzw. sie haben digitale Kopien der analogen Welt bekommen. Alle Prozesse sind immer noch analog, d.h. es wird seriell gearbeitet statt parallel. Man kann digitale Workflows auch nicht lernen, man muss sie leben.

Das Gegenbeispiel erlebe ich fast täglich bei uns im Online-Studium. Hier wird alles digital gemacht aber es gibt kein Extra-Fach “Medienkompetenz”. Die Cloud ist Alltag, sei es LOOP, Etherpad oder Skype und GDrive (wobei die letzten beiden Systeme gar nicht von der Hochschule angeboten werden, sie sind aber permanent im Alltag des Studierenden vorhanden). Gruppenaufgaben werden per Connect mit Headset und parallel am Laptop im GDrive bearbeitet. Nicht selten arbeiten 2-4 Leute gemeinsam am Dokument. Mir kommt das manchmal so vor, wie bei einem koordinierten Angriff bei World of Warcraft mit Teamspeak. Der eine schreibt die Einleitung, der andere kopiert die Arbeitsergebnisse ins finale Dokument, der dritte layoutet alles und der vierte macht Kopf- und Fußzeilen.

Was ich damit sagen will, und worauf es immer wieder hinausläuft, man muss diese Techniken vorleben und das bedeutet alle müssen das machen. Mit allen meine ich die Profs, die Verwaltung der Hochschule und die Sekretariate. Nur im täglichen Leben, lernt man diese Arbeitsweisen und diese digitalen Workflows sind unglaublich wichtig für die Zukunft, denn sie bedeuten Effektivität. Ich bin überzeugt, dass wir bei oncampus sicherlich um 10-30% effektiver arbeiten, als andere E-Learning Organisationen. Telearbeit, Webkonferenzen, GDrive, Etherpads, Tablets, Ressourcenmanagement, Ticketsysteme und natürlich Skype sind bei uns Alltag. LOOP hat bei uns Maßstäbe gesetzt und das nicht nur in den Workflows, sondern auch im Verständnis der Kollegen. Wie bindet man OER-Inhalte aus YouTube, Prezi, Slideshare und Co ein? Wir machen das täglich und dazu alles auch noch in ASCII-Wiki-Syntax und teilweise mit TeX-Notation.

In der analogen Hochschule fehlt dieses Vorleben jedoch. Studierende sehen alles analog, treffen sich auch analog in Bibliotheken und verbringen dann auch noch Zeit in Autos um dort hinzufahren. Vielleicht verschicken sie sogar Doc-Files mit Änderungsmodus, denn sie wissen nicht was sie tun.

Das ist auch der Grund, warum diese Ansätze wie Print on Demand nicht funktionieren. Da wird immer noch analog gedacht, obwohl die Zukunft digital sein wird und daher völlig andere Kompetenzen erwartet. Wer heute noch mit Papier studiert, wird genau die gleichen Probleme kriegen, wie die heutigen 50jährigen Sekretärinnen, die mit Outlook auf Kriegsfuß stehen, das sie noch nicht einmal auf der Schreibmaschine ausgebildet wurden. Sie haben kein Verständnis für Office und wir bilden Menschen aus, die dann später mit Mobilgeräten und der Spracherkennung nicht umgehen können und nicht kollaborativ in der Cloud arbeiten können.

Das traurige jedoch an der ganzen Geschichte ist, dass bestimmt kein einziger Student an der VFH das bewusst wahr nimmt. Für die meisten ist das Alltag und selbstverständlich, dass sie jedoch, dank der konsequenten Umsetzung des vollen digitalen Studiums, noch eine Menge Kompetenzen mitnehmen, die sie bestimmt in den nächsten 10-15 Jahren im täglichen Beruf anwenden können, das ist den meisten gar nicht bewusst. Und im Gegenzug sucht sich bestimmt auch kein Student seinen Studienort nach dem Digitalisierungsgrad der Hochschule aus. Das ist bei keinem Ranking erwähnenswert und dabei ist es meiner Meinung nach, so unglaublich wichtig.

Update:

Oder wie es Anja Lorenz mit einem Meme treffend zeigt.

 

10 Kommentare

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  3. Joachim Wedekind

    kann dem nur zustimmen. Der Schritt in die Digitalisierung erfordert Konsequenz, fast kann man sagen “ganz oder gar nicht”. Weil man sonst die Nachteile des Analogen noch lange mit sich rumschleppt und die Vorteile des Digitalen nicht zum Tragen kommen. Aber wer arbeitet und lebt schon konsequent 😉

    • onlinebynature

      Danke. Die Crux an vielen Lösungen ist Abwärtskompatibilität. Man darf die User nicht überfordern und daher muss auch die analoge Welt unterstützt werden. Das sieht man an den Konzepten, die auch auf einer Kreidetafel funktionieren müssen (wir statten erstmal nur einen Raum mit Beamer oder Smartboard aus, da wir das testen müssen) oder mit Lernmaterial, was auch offline funktionieren muss (nicht jedes Kind hat einen Laptop, wir müssen alle abholen). Leider kommt man damit aber nicht vorwärts und das es anders gehen kann, sehe ich zum Glück jeden Tag. Es sind aber lange Wege die man gehen muss.

  4. Markus Jung

    Interessanter Beitrag, der sich dann doch sehr zu lesen gelohnt hat, nachdem mich das Bild am Ende erstmal sehr abschreckt und auch jetzt noch Ablehnung in mir hervorruft.

    Meine Gedanken zu deinen Überlegungen:

    1. Ich versuche selbst, weitgehend digital und papierfrei zu leben und dies auch überwiegend erfolgreich, kenne allerdings die von dir geschilderten Probleme, insbesondere wenn es um die Zusammenarbeit geht (oder um das Finanzamt). Klar wünschte ich mir da manchmal, dass alle eine die gleichen modernen Wege zum Beispiel zur gemeinsamen Arbeit an Dokumenten nutzen würden.

    2. Sehe ich auch eine mittelfristige Entwicklung weg vom Papier-Studienbrief und hin zu digitalen und interaktiven Lösungen, zum Beispiel wie es bei euch in den Oncampus-Studiengängen gelebt wird.

    3. Lehne ich jede Art von Zwang und Fanatismus ab. Und wenn jemandem Gewalt angedroht wird, weil er im Büro weiter mit Papier arbeiten möchte – und wenn es nur im Comic ist – stört mich das. Genauso stört es mich, wenn jeder verurteilt wird, der noch mit Papier-Studienbriefen arbeiten möchte. Ich denke, hier sollte es virtuelle Angebote und die Auswahl geben und auch wenn es einem manchmal zu langsam zu gehen scheint, sollte es doch jedem selbst überlassen werden, das Medium oder zumindest den Anbieter zu wählen, mit dem er für sich am Besten zurecht kommt.

    Ich persönlich arbeite und lese viel digital, was aber zum Beispiel die digitale Erarbeitung von Texten angeht, zum Beispiel am eBook-Reader, muss meiner Meinung nach noch viel passieren, bis diese ähnlich effizient ist wie mit Papier. Vielleicht ist meine Feinmotorik zu schlecht ;-), aber bis ich an meinem Tolino oder Kindle eine Markierung angebracht habe, hätte ich das auf dem Papier mindestens schon 3x erledigt… Und ich denke, in vielen anderen Bereichen gerade des digitalen Studiums sieht es noch ähnlich aus.

    • Lisa Rosa

      Nee, Verbot, Gebot oder Freiwilligkeit ist nicht die Alternative. Man muss Kontextsteuerung machen, also Anreize schaffen, das bessere System im passenden Kontext zu wählen. Also gdrive statt dropbox, aber: Wenn es in die Tiefe gehen soll: ein ganzes Buch durcharbeiten – natürlich als ebook, damit man die interessanten Stellen und die eigenen Notate daran mit den anderen Lesern in der Studiengruppe teilen und in einer sm-Gruppe diskutieren kann. Diese Vorgehensweise wird prämiert, d.h., wenn man es so macht, dann gibts credit points dafür. Natürlich darf man es auch anders machen, aber, dann kriegt man diese Extrapunkte nicht.
      Es gibt ein Drittes neben dem Entweder-Oder ,-)

      • onlinebynature

        Ich halte auch von Verboten sehr wenig, was hier auch nicht der Punkt sein sollte. Vielleicht ist die Meme von Anja etwas streng, aber ich mag diese Überspitzung. Ich denke, der Anwender muss die Vorteile spüren oder wie es Lisa auch sagt, sie müssen schmackhaft gemacht werden. Viele Vorteile liegen jedoch dank der Technik auf der Hand. Bahn verpasst aber Skript nicht dabei, dann schnell ins Netz und Inhalte downloaden, was nur ein kleiner Vorteil ist.

        Natürlich ist die Technik noch oft schlecht und inkompatibel, aber sie wird jedes Jahr besser und wir müssen jetzt auch anfangen sie zu nutzen, denn wer jetzt noch mit Papier lernt, wird definitiv einer der letzten sein. Jegliche Erfahrung damit wird in 5-10 Jahren überflüssig sein. Ich denke sogar, dass es noch viel radikaler wird und wir sogar das schreiben bald nicht mehr lernen müssen und beim rechnen wird es auch komisch. Das wird gesellschaftlich noch richtig spannend werden.

        • Markus Jung

          Bahn verpasst und Skript downloaden funktioniert. Übel wird es nur, wenn man die (Deutsche) Bahn mitbekommen hat und unterwegs auf seine Online-Materialien zugreifen möchte – da bestehen auf jeden Fall bessere Chancen, wenn man seinen Papier-Studienbrief dabei hat 😉

          Ansonsten ja, Anreize schaffen ist gut, Entwicklungen wird es geben, ob es allerdings so schnell und radikal gehen wird, wie du Andreas es dir vorstellst, wird sich zeigen. Ich glaube nicht daran, dass der Lernalltag in fünf Jahren bereits papierlos sein wird, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren!

  5. Heiko

    Das Problem liegt nicht nur beim Anwender, vielmehr ist auch der Anbieter in der Pflicht. Wenn ich z.B. die Fernuni Hagen sehe, da gibt es in einigen Fächern die Skripte nur in Papierform. (z.B. EBWL, WI, EVWL). Will man unterwegs lernen muss man auf Drittanbieter zurückgreifen, dort kann man sogar die vertonte Form der Studienbriefe erwerben. Warum kommt so etwas nicht direkt von der FernUni?
    Ein weiteres Problem sehe ich bei den Geräten: Ich besitze ein Kindle Paperwhite und ein Ipad Mini. Das Kindle ist nur für reine Texte geeignet, dafür aber perfekt. Kommen aber Tabellen und Formel oder gar eine pdf ins Spiel ist das Gerät unbrauchbar.
    Das iPad ist super, was mich hier nur stört ist der geringe Speicherplatz von 16GB – das reich kaum aus um alle Inhalte dauerhaft und fürs Unterwegslernen immer dabei zu haben, besonders dann, wenn auch noch nicht-Studiuminhalte dazu kommen.
    Es müsste also ein größeres tablet her (von den Abmessungen) und mit mehr Speicherplatz welches die Vorteile beider Welten (eReader + Tablet) miteinander vereint.
    Ich arbeite viel am Rechner. (Kann auch die Kollegen auf der Arbeit nicht verstehen die sich eMails ausdrucken (auch wenn diese nur aus ein, zwei Sätzen bestehen). Notizen aus den Studienbriefen mache ich direkt mit Word, da habe ich in der Vergangenheit viel per Hand geschrieben, das mache ich nur noch bei rein mathematischen Inhalten. Vorteil: Ich kann mir das aufgeschriebene gleich an den Kindle senden und dort überall lesen.

    Aber es geht sich nicht nur um Studienbriefe. Warum werden nicht auch ganze Vorlesungen ins Netz gestellt? Warum nicht auch mit Powerpoint-Unterstützung, Multimedial lernt es sich einfach besser.

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