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Wo ist denn jetzt diese MOOC-Revolution?

Es sind ja immer diese kleinen Sätze auf Twitter oder woanders, die mir immer zu denken geben. Diesmal wurde der von mir sehr geschätzte Jörn Loviscach erwählt, mit der schönen Headline „Bisher ist nicht zu erkennen, dass die Hörsäle in Deutschland durch digitale Formate zukünftig leer stehen“ aus dem lesenswerten Interview auf “Digital ist“. Was erwarten wir denn und besser erhoffen wir denn von der digitalen Revolution? Werden wir alle durch Roboter ersetzt,  wie all die Musiker? Wer wurde denn bisher alles ersetzt? Schauen wir uns mal um. Dank der Digitalisierung gibt es jetzt keine Musik mehr, denn es gibt nur noch Raubkopien und alle Musiker sind damit den Hungertod gestorben.

Dann ist die Filmindustrie gestorben, deren Umsätze drastisch eingebrochen sind. Es gibt keine großen Blockbuster mehr oder erinnert sich jemand an aufwendige Comic- oder Buchverfilmungen in den letzten Jahren mit Budgets jenseits der 200 Mio. Dollar Marke?

 

Weltweiter Umsatz der Filmindustrie
Weltweiter Umsatz der Filmindustrie

 

Und als nächstes wird die Buchindustrie vernichtet werden. Buchhandlungen sind schon jetzt Geisterstädte und morgens in der Bahn lesen alle mit Kindle E-Books aus dem freien Kindle Markt oder alte Klassiker. Neuerscheinungen gibt es so gut wie gar nicht mehr.

Und was kommt als nächstes?

Natürlich die Hochschulen! Hörsäle werden genauso leer sein, wie die Buchhandlungen. Studis werden sich die Vorlesungen auf YouTube anschauen und brauchen keine Betreuung mehr und die Klausuren werden von Automaten korrigiert. Schöne neue Welt!

Nein so wird die digitale Bildungsrevolution bestimmt nicht verlaufen. Die Revolution verläuft versteckt im dunklen und im kleinen. Wie Heinz Wittenbrink in seinem Blog korrekt geschrieben hat, sollte  man eher eine Subversion erwarten. Die Hörsäle werden nicht von heute auf morgen leerer werden, es werden neue Konzepte umgesetzt und neue innovative digitale Zusatzangebote entstehen. Die gab es vorher einfach nicht, denn wer konnte schon früher online studieren? Wir haben an der FH Lübeck inzwischen knapp 12% Online Studis und die Jade Hochschule hat imho sogar 20%. Da ist kein Hörsaal leerer geworden, sondern der Hörsaal wird jetzt auch FR Abend und am SA genutzt, da das berufsbegleitende Angebote sind mit neuen Zielgruppen. Selbst die Fernuni Hagen, die wahrlich keine guten digitalen Angebote im Portfolio hat, kann nicht von fallender Nachfrage sprechen.

Schaut man sich einmal die Zahlen der Film- und Musikindustrie genauer an, so wird sogar das Gegenteil passieren. Durch die neuen Angebote, wie E-Lectures, MOOCs und OER, werden völlig neue Zielgruppen sehr viel breiter, intensiver und schneller angesprochen und sehr wahrscheinlich werden die Hörsäle dadurch voller, statt leerer werden. Die Hochschulen machen hier genau den gleichen Fehler, wie die Medienindustrie und verflucht den Wandel. Will man jedoch aus der Vergangenheit lernen, so erkennt man den Wachstum. So war die meist raubkopierte Serie der Welt “Game of Thrones” auch die mit Abstand meist verkaufte DVD der Welt.

Für die Bildung kann das bedeuten, dass die Dozenten oder Unis mit den besten digitalen Angeboten auch die meisten und besten Studierenden bekommen. Hier sollte man also die Chance sehen und nicht das Misstrauen. Wir können dies auch mit unserem “Grundlagen des Marketing” MOOC bestätigen, wo wir und auch unser Prof. Opresnik sehr viel positive Resonanz bekommen haben und wir neue Projekte u.a. pMOOC mit 1,3 Mio. Förderung erhalten konnten. Wir betreiben seit 13 Jahren mit der Virtuellen Fachhochschule Online-Fernstudiengänge und keine der beteiligten 10 Hochschulen hat weniger Studierende in der Präsenzlehre bekommen, sondern es ist immer das Gegenteil passiert. Allerdings kämpfen wir noch heute mit diesen Vorurteilen, dass digitale Angebote die alten Angebote ersetzen würden. Das wird nicht passieren, aber wir wachsen überdurchschnittlich. MOOCs werden diesen Trend eher stärken als schwächen, was wir sicherlich in 5 Jahren beweisen können 🙂

Natürlich müssen die Etablierten sich bewegen und durch die Digitalisierung und vor allem durch die Transparenz und damit der Vergleichbarkeit der Angebote, wird sich Qualität durchsetzen. Nicht ohne Grund hat ein Jörn Loviscach 15 Mio. Klicks auf YouTube und Christian Spannagel hat mehrere Tausend Teilnehmer in seinem MatheMOOC. Diese Experten können fesselnde Vorlesungen machen, spielen mit den Inhalten und haben dadurch eine Art von Edutainment geschaffen, was die Jugend von heute haben will. Frontalunterricht mit schlechten Folien sollte der Vergangenheit angehören, aber zum Glück gibt es noch die Anwesenheitspflicht, die geschickt in der Prüfungsordnung verankert, die Dozenten vor der Qualität bzw. den leeren Hörsälen schützt.

Ähnlich wie in der Musikindustrien und den Streaming Diensten werden die Konsumenten die Lager wechseln. Sie gehen weg vom alten Angebot, der CD und gehen zum flexibleren Streaming-Angebot der Flatrate. Die Künstler bleiben, aber richtig gut wird es nur den Guten gehen und das werden weniger. Dieser Prozess wird aber in der Bildung noch Jahre brauchen und MOOCs sind auch keine disruptive Technologie, sondern ein ergänzendes Angebot um neue Zielgruppen zu erreichen und die große Frage dabei wird nicht die Leerung der Hörsäle sein, sondern die Erschliessung neuer Zielgruppen. Fragt sich dabei bloss, ob Hochschulen die perfekten MOOC-Anbieter sind, oder ob das Angebot doch mehr niederschwellig sein könnte.

5 Kommentare

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  3. Max

    (Anmerkung: Das Beispiel mit dem Musikmarkt geht in eine ganz andere Richtung: Durch das Internet sind die Umsätze mit CDs massiv eingebrochen, was durch den gestiegenen Absatz von Kauf-MP3s nicht annähernd ausgeglichen wurde. Jetzt nimmt der Umsatz mit Kauf-MP3s ab. Letzteres wird durch die gestiegenen Umsätze mit Musikstreaming ausgeglichen, nicht aber der weitere Einbruch bei den CDs.)

    • Anja Lorenz

      (Anmerkung: Der Absatz von Hufeisen ist massiv eingebrochen, was durch den gestiegenen Absatz von Autoreifen nicht kompensiert werden konnte, immerhin hängt sich keiner einen Autoreifen als Glückssymbol über die Tür.)

  4. Pingback:Warum ich Blended Learning nicht mag | Online By Nature

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